Wie funktioniert Solardestillation? - Wasseraufbereitung in Notsituationen

22.10.2022

Ich habe mich ausführlich mit dem Thema Solardestillation in Notsituationen befasst und möchte hier mein Wissen mit dir teilen. Mit der solaren Destillation kannst du z.B. aus Meerwasser trinkbares Süßwasser gewinne. Im nachfolgenden beantworte ich dir ausführlich folgende Fragen:

Zu diesem Beitrag gibt es auch ein ausführliches Video:

Wie funktioniert eine Solardestille?

Animation einer Solardestille zur Wasseraufbereitung in Notsituationen.

Die Folie über der Grube erzeugt einen Raum, in dem sich ein Mikroklima entwickeln kann. In diesem Mikroklima stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Verdunstung und Kondensation ein. Zusätzlich bewirkt der Treibhauseffekt eine Temperaturerhöhung unter der Folie, was die Verdunstung beschleunigt. Die kühlere Außentemperatur kühlt die Folie, sodass die Folientemperatur unterhalb des Taupunkts fällt. Nur dann kann Wasser an der Folie kondensieren. Generell kann man sagen, je größer die Temperaturdifferenz, desto schneller wird Trinkwasser kondensiert.

Die Solardestille läuft auch ohne Sonne weiter, solange die Temperatur im Inneren höher ist als außen.

Um möglichst viel Sonnenenergie im Inneren zu absorbieren, sollte der Untergrund möglichst dunkel sein. Hier kannst du mit dunklem Pflanzenmaterial, dunklen Kleidungsstücken oder dunklen Steinen nachhelfen. Das dunkelste, was du finden kannst, ist sicher Holzkohle.

Falten in der Folie vergrößern die Oberfläche, d.h. mehr Fläche, an der Wasser kondensieren kann. Ein steilerer Winkel sorgt für schnelleren Wasserabtransport. Wind sorgt für zusätzliche Kühlung an der Oberfläche und kann so die Effizienz steigern. Ein Flattern der Folie musst du verhindern. Starkes Flattern kann Tropfen von der Folie abschlagen, die nicht im Sammelgefäß landen.

Die Verdunstungsrate ist auch von der Wasseroberfläche und -krümmung abhängig. Z.B. verdunsten kleine Tropfen schneller als die gleiche Menge Wasser in einer Pfütze. Auch Wellen vergrößern die Oberfläche. Du kannst den Effekt ausnutzen, in dem du Wasser über Pflanzenteile schüttest oder nasse Kleidungsstücke verwendest.

Bei allen meinen Versuchen hat sich im Bereich des Gewichts in der Mitte der Folie kein Kondensat gebildet. Ich nehme an, dass das Gewicht durch die Sonne zu stark erwärmt wird. Das nächste Mal werde ich versuchen, das Gewicht mit Wasser zu kühlen oder direkt Wasser als Gewicht zu nehmen, um den Aufbau weiter zu optimieren.

Warum funktioniert die Solardestille nicht mit einem Tarp oder einer Rettungsdecke?

Animation einer Destille aus einem Tarp, negatives Beispiel.

Das Tarp oder die Rettungsdecke absorbieren oder reflektieren die Sonnenenergie. Das führt dazu, dass sich der Innenraum weniger stark erwärmt als das Tarp bzw. die Rettungsdecke. Dadurch liegt die Temperatur an der Grenzschicht immer über dem Taupunkt, und das Wasser kann nicht kondensieren. Der Effekt ist dir sicher aus deinem Zelt bekannt. Tagsüber, wenn die Sonne auf das Zelt scheint, gibt es innen keine Kondensation. Wenn du aber Morgens aufwachst, ist das Zelt innen beschlagen, da die Außenluft über Nacht abgekühlt ist und das Innere durch deine Körperwärme erwärmt wurde. Du kannst den Effekt nachahmen, indem du den Aufbau im Schatten machst und das Innere z. B. mit heißen Steinen aufwärmst. Die heißen Steine kannst du auch verwenden, falls die Sonnenenergie nicht ausreicht.

Animation einer Destille aus einem Tarp zur Wasseraufbereitung in Notsituationen mit heißen Steinen.

Reicht das Wasser aus einer Solardestille zum Überleben?

Der normale Grundbedarf an Wasser liegt bei ca. 2 Liter pro Tag. Dieser erhöht sich in Abhängigkeit von Temperatur, Höhe und Aktivität. Meine Destille hat in 2-3 Stunden ca. 100 ml (5 Schluck) Trinkwasser produziert. Bei einer Fläche von ca. 1 m². Ähnliche Werte habe ich in verschiedenen Büchern gefunden. Demnach sollten ein halber Liter pro Tag relativ sicher machbar sein, was das Verdursten um einige Tage oder sogar Wochen hinauszögern kann. Wenn du mehr Folie hast, kannst du mehr oder größere Destillen anlegen und entsprechend mehr Wasser gewinnen.

Ein wichtiger limitierender Faktor ist die verfügbare Rohwassermenge. Es kann nur maximal soviel Wasser gewonnen werden, wie in die Destille eingebracht wird. Aus trockenem Boden und trockener Luft lässt sich nur sehr wenig Wasser gewinnen. Sollte kein zusätzliches Oberflächenwasser für die Destille vorhanden sein, dann kannst du mit grünem Pflanzenmaterial oder deinem Urin etwas nachhelfen. Wenn du Pflanzen verwendest, solltest du darauf achten, dass die Blätter nicht behaart, fleischig oder mit einer Wachsschicht überzogen sind. Sollte das der Fall sein, dann musst du das Pflanzenmaterial vorher aufbrechen. Verwende ungiftige Pflanzen, da Giftstoffe eventuell auch ins Kondenswasser gelangen können.

Wie sicher ist die Wasseraufbereitung mit einer Solardestille?

Gleich mal vorweg: Entgegen der landläufigen Meinung entsteht bei der Destillation von Rohwasser kein reinstes Wasser. Was sich später im Destillat befindet, hängt von der Flüchtigkeit bzw. dem Dampfdruck der im Rohwasser enthaltenen Stoffe ab. Das kannst du einfach selbst ausprobieren. Nimm dir irgendein alkoholhaltiges Getränk und mache den Aufbau mit einem Kochtopf, Glas und Frischhaltefolie. Du wirst feststellen, dass sich im Destillat nicht nur Wasser, sondern auch Alkohol befindet. Und eventuell noch mehr, je nachdem, was in deiner Probe an flüchtigen Stoffen enthalten war.

Als typische Eigenschaft flüchtiger Soffe gilt ein Sidepunkt unterhalb 250 °C bei Normaldruck und einen Dampfdruck von mindestens 0,1 mbar bei 20 °C. Auf diese physikalischen Eigenschaften treffen leider eine unüberschaubare Anzahl von Verbindungen zu, die ich hier unmöglich aufführen kann. Viele davon sind wahrscheinlich wissentlich nicht mal ausreichend untersucht. Darunter fallen auch für den Menschen giftige und hochgiftige Stoffe. Diese können sowohl durch menschengemachte Verunreinungen, natürliche Stoffwechselprodukte, als auch generell natürlich vorkommende Stoffe ins Rohwasser gelangen. Darunter fallen z.B. Medikamente, Hormone, Pestizide, Toxine, industrielle Prozessstoffe, Schwermetalle, radioaktive Stoffe, anorganische und organische Stoffe.

Wenn die Flüchtigkeit größer ist als die von Wasser, können Stoffe sogar aufkonzentriert werden. Genau das passiert beim Brennen von Schnaps, um bei dem Beispiel mit dem Alkohol zu bleiben. Umgekehrt lässt sich sagen, wenn die Flüchtigkeit kleiner als die von Wasser ist, dann wird die Konzentration verringert. Der Stoff wird allerdings niemals vollständig entfernt.

Die nächste schlechte Nachricht ist, dass du im Feld kleinerlei Möglichkeit hast das Destillat chemisch zu analysieren und die genaue Zusammensetzung zu bestimmen. Du kannst dich nur auf deine Sinne verlassen. Das Destillat sollte absolut klar, farblos und geruchlos sein. Ideralerweise sollte es wie reines Wasser schmecken. Bei all meinen Versuchen hatte das Destillat jedoch immer einen deutlichen Geschmack. Teils erdig, teils nach Plastik.

Unabhängig vom Destillationsprozess können an der Folie anhaftende Verunreinigungen in das Sammelgefäß gelangen.

Jetzt zu den guten Nachrichten. Was sich sicher entfernen lässt sind Schwebstoffe und Mikroorganismen wie Viren, Bakterien und Protozoen. Natürlich lässt sich damit auch Meerwasser oder Brackwasser entsalzen. Auch deinen Urin kannst du damit aufbereiten. Auch wenn sich nicht alle enthalten Stoffe entfernen lassen, so wird zumindest deren Konzentration verringert.

Zur Nachbehandlung kannst du das Destillat mehrfach durch Aktivkohle filtern. Dadurch kann die Menge der möglichen chemischen Verunreinigungen weiter reduziert werden. Das ist bei der Trinkwasseraufbereitung eine übliche und anerkannte Methode. Trübung, Färbung, Geruch und Geschmack können dadurch verbessert werden. Auch bei dieser Behandlungsmethode können Giftstoffe zurückbleiben. In einer Notsituation kann Holzkohle verwendet werden, diese ist allerdings weit weniger effizient.

Im Vergleich mit anderen Aufbereitungsmethoden, die du in Notsituationen improvisieren könntest, ist die Solardestillation als sicher einzustufen. Letztendlich muss du selbst abwägen, ob du das Destillat trinken willst oder lieber verdurstest. Die Solardestillation sollte allerdings nicht deine übliche Methode zur Trinkwasserversorgung sein und wirklich nur in einer Notsituation angewand werden. Wenn du die Möglichkeit hast, an geprüftes Trinkwasser zu kommen, dann nimm das.

Du kannst die Wahrscheinlichkeit für giftige Verunreinigungen reduzieren, in dem du auf die Qualität des Rohwassers achtest.

  • Ist mit menschlichen Verunreinigungen zu rechnen, z.B. durch Landwirtschaft, Siedlungen, Straßen oder Industrieanlagen?
  • Welche Pflanzen und Tiere leben im Wasser, bzw. siehst du tote Pflanzen oder Tiere im Wasser oder am Ufer?
  • Ist das Wasser klar, farblos und geruchlos?
  • Wie sieht der Grund des Gewässers aus?
  • Wie sieht der Uferbereich des Gewässers aus?

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